
Ich bin so doof.
Ich bin so doof. Ich bin so doof. Ich bin so doof“, wiederholt Lieschen und haut sich mit dem Handballen gegen die Stirn. Die Erstklässlerin hat ihr Deutschheft in der Schule liegen lassen und kann nun ihre Hausaufgaben nicht machen.
„Warum habe ich das nur gesagt? Warum konnte ich nicht einmal erst nachdenken und dann sprechen? Ich bin so doof“, murmelt Lotta und beißt sich so fest auf die Unterlippe, bis sie Blut schmeckt. Der 13-Jährigen ist etwas rausgerutscht, das ihre beste Freundin schlecht dastehen lässt.
Katrin laufen die Tränen über die Wangen, nachdem sie das Telefonat mit ihrem Chef beendet hat. „Scheiße, er hat recht, ich habe die Präsentation nicht gut genug gemacht. Warum habe ich mir nicht mehr Mühe gegeben? Ich bin so doof.“
Mona knallt die Tür hinter sich zu und schreit: „Ich bin so doof!“ Sie hat gerade eine Delle in ihr Auto gefahren.
Wenn Lieschen, Lotta, Katrin und Mona alle Selbstbeschimpfungen auf eine Seite der Waage legen und auf die andere alle netten Worte, die sie je über sich gesagt haben, hängt die mit den Beschimpfungen tief nach unten. Sie schauen sich abends im Spiegel an und können nichts Schönes erkennen. Ein trauriges, müdes Gesicht blickt ihnen entgegen.
Doch was, wenn sie die Waage umdrehen könnten? Wenn sie selbst bestimmen würden, wie sie über sich denken?
Lieschen sitzt am Küchentisch und wischt sich über die Augen. Ich hab mein Heft vergessen, ja. Aber ich bin doch nicht doof. Ich bin nur ein Mensch, und Menschen vergessen Dinge. Sie atmet tief durch und nimmt sich vor, die Hausaufgaben morgen nachzuholen.
Lotta liegt auf ihrem Bett und starrt die Decke an. Es war nicht gut, was ich gesagt habe. Aber das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen. Ich kann aus meinen Fehlern lernen. Langsam entspannt sich ihr Kiefer.
Katrin lehnt sich in ihrem Sessel zurück und massiert ihre Schläfen. Ja, die Präsentation war nicht perfekt. Ich habe mich zu sehr ablenken lassen und mir zu wenig Zeit für die Vorbereitung genommen. Beim nächsten Mal mache ich es eben besser. Sie spürt, wie sich der Druck in ihrer Brust löst.
Mona schließt die Augen und atmet langsam ein und aus. Ich habe einen Fehler gemacht. Aber ich bin mehr als ein Moment der Unachtsamkeit. Ich kann mir selbst verzeihen. Sie öffnet die Augen, schaut aus dem Fenster und merkt, dass die Welt sich trotzdem weiterdreht.
Und so beginnt für alle vier eine kleine Veränderung. Vielleicht dauert es, vielleicht geht es nicht von heute auf morgen. Aber eines Tages wird die Waage anders aussehen. Und wenn sie dann in den Spiegel schauen, sehen sie nicht mehr nur Falten und Fehler. Sondern auch sich selbst – mit all ihren Stärken.